Nackenverspannungen sind in der heutigen Zeit sehr verbreitet und beeinträchtigen den Alltag betroffener Menschen merklich und häufig auch nachhaltig. Erfahren Sie hier, wie sie entstehen und was sie dagegen tun können.
Verbreitung
Nackenverspannungen sind in der heutigen Zeit sehr verbreitet. Während früher die Menschen in ständiger Bewegung waren, häufiger Gefahren und immer wieder neuen Reizen aus allen möglichen Richtungen ausgesetzt waren, haben heutzutage nicht nur Berufstätige mit Schreibtischarbeit lange Perioden mit nahezu starrer Haltung in der Halswirbelsäule. In vielen Lebenslagen ist unser Kopf bzw. unser Auge auf einen mehr oder weniger ortsgebundenen Reiz ausgerichtet (Fernseher, Smartphone, Frontalunterricht, Arbeit am Schreibtisch bzw. am Computer) und führt so zu einem allgemeinen Bewegungsmangel und zu Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit im Bereich der Halswirbelsäule.
Manifestation
Durch diese häufige starre Kopfhaltung, welche eben meist nicht in optimaler, ausbalancierter Position vorliegt, resultieren Verspannungen in der für die entsprechende Kopfhaltung zuständigen Muskulatur bzw. im Bindegewebe. Wird der Kopf in diesem Verspannungszustand bewegt, können diese Bewegungen zu Schmerzen führen. Mit den Verspannungen einhergehend verkürzen sich die einzelnen Muskeln, was wiederum zu Veränderungen der Spannungsverhältnisse im Bereich der Halswirbelsäule bzw. der Wirbelsäule als Ganzes führt. Nach einiger Zeit können sich schliesslich dauerhafte, sichtbare Veränderungen in der Körperhaltung manifestieren, die nicht mehr durch einfache Verhaltensänderungen rückgängig gemacht werden können.
Exkurs - Muskelphysiologie
Was ist denn eigentlich eine Muskelverspannung?
Die Skelettmuskulatur, wie wir sie beispielsweise an unseren Armen, Beinen und am Rücken haben, wird vom Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) über Nervenbahnen mittels elektrischen Impulsen willkürlich angesteuert. Diese Impulse (Aktionspotential) bewirken auf molekularer Ebene im Muskel eine relative Verschiebung von Molekülen (Actin und Myosin). Durch die Summe vieler solcher Molekülverschiebungen entsteht eine Verkürzung bzw. eine Verdickung des Muskelkörpers von mehreren Zentimetern. Aufgrund der Verbindung der Muskeln mit Sehnen und Knochen führt diese Muskelverkürzung schliesslich zu einer Körperbewegung, wie wir das alle aus eigener Erfahrung kennen.
Bei einer Bewegung wird der Muskeltonus (Spannungszustand der Muskulatur) kurzfristig stark erhöht, sinkt dann aber im Normalfall wieder ab in den Ruhetonus. Dieser Ruhetonus findet sich in allen Muskeln und definiert sich aus der Kraft, die notwendig ist, den Muskel in der entsprechenden Form und Position zu halten. Also auch ein absolut ruhender Muskel weist einen gewissen Tonus auf. Liegt nun über längere Zeit eine erhöhte Spannung in einem Muskel vor (zum Beispiel wenn jemand den Kopf nach vorne neigt, um ein Buch zu lesen), kann dies zu einem dauerhaft erhöhten Tonus (Hypertonus) führen, da sich die Muskulatur dabei nachhaltig verkürzt hat. Das Resultat sind häufig Schmerzen in den entsprechenden Bereichen. Dazu kommt, dass aufgrund der Schmerzen oft ungünstige Schonhaltungen eingenommen werden, die mittelfristig zu weiteren Schmerzen in anderen Muskeln führen.
Ursachen
Die Ursachen von schmerzhaften Nackenverspannungen können sehr unterschiedlich sein, beruhen aber letztlich immer im selben Auslösemechanismus, nämlich einem muskulären Hypertonus. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Umstände zu einer Zunahme des Spannungszustandes im Muskel führen.
Angelernte Fehlhaltungen: Unsere Gesellschaft ist heutzutage sehr stark auf visuelle Reize getrimmt und mit täglichem Training vor dem Computer oder Smartphone, dem Fernseher, dem Buch oder im Auto wird sichergestellt, dass es weiterhin so bleibt.
Es liegt in der Natur des Menschen, einen visuellen Reiz möglichst genau wahrzunehmen. Unser Körper unterstützt uns dabei, indem der Kopf unwillkürlich mittels reflektorischen Verbindungen so ausgerichtet wird, dass das Auge (oder bei einem auditiven Reiz die Ohren) in Richtung Reizquelle schaut. In den meisten Fällen nehmen wir diese Kopfbewegungen gar nicht wahr und merken deshalb auch bei längerem Hinschauen nicht, dass unser Kopf in Bezug auf die Muskulatur eine ungünstige Position innehat.
Unter den folgenden Punkten sind häufige Alltagssituationen aufgelistet, die zu Nackenverspannungen führen können:
- Die Arbeit am Computer ist besonders gefährdet, da häufig kleinere Dinge erkannt werden müssen und die Bildfläche nicht einfach verschoben werden kann. Dies führt dann häufig dazu, dass der Kopf hin zum Bildschirm gebracht wird, mit den entsprechenden Folgen für die Nackenmuskulatur.
- Auch wenn die Reizquelle verschiebbar ist, wie beispielsweise ein Buch, bringen viele Menschen nicht das Objekt näher zu den Augen, sondern sie bringen die Augen näher an das Objekt und strecken dabei den Kopf nach vorn und unten.
- Bei konzentrierter Arbeit mit den Händen werden häufig die Schultern hochgezogen und diese während der Verrichtung der Tätigkeit oben gehalten. Durch die muskuläre Verbindung von Schulter und Nacken durch die Trapezius- und die Levator-Scapulae-Muskeln resultiert das über kurz oder lang in Schulter/Nacken-schmerzen.
- Nicht korrigierte Kurzsichtigkeit verleitet zu einem vorgestreckten Kopf, da man unwillkürlich die Augen mit den Hals/Nackenmuskeln näher an das heran bringt, was man sehen möchte.
- Bei Gleitsicht- und Bifokalbrillen wird der Kopf automatisch in den Nacken gelegt, wenn durch die untere Abteilung der Gläser geschaut wird. Übt man eine Tätigkeit aus, bei der man ständig durch den unteren Teil der Brille schauen muss, sind Nackenverspannungen früher oder später vorprogrammiert
- Zu niedrige Sitzmöbel oder Sitze, die hinten tiefer sind als vorne (z.B. Autositze) führen zu einem Rundrücken und einem entsprechenden Ausgleich nach vorne im Bereich der Halswirbelsäule. Es sollte deshalb bei der Sitzposition darauf geachtet werden, dass die Fuss-, Knie- und Hüftgelenke grundsätzlich einen rechten Winkel bilden. Beim Autositz, wenn dieser nicht ausreichend eingestellt werden kann, schafft ein Keilkissen Abhilfe.
- Arbeitsplatten, wie beispielsweise Küchenabdeckungen, führen ebenfalls zu einem Vorbeugen des Kopfes, wenn diese zu niedrig konzipiert sind. Zum Ausgleich sollten erhöhte Arbeitsflächen geschaffen oder wenn möglich die Arbeit an einem Tisch nebenan sitzend verrichtet werden.
- Manche Sportarten wie Brustschwimmen und Radfahren, bei welchen viele Leute den Kopf in den Nacken gelegt halten, können für den Nacken ungesund sein, auch wenn Sport treiben an sich im Allgemeinen als gesund einzustufen ist. Mit der richtigen Technik, beispielsweise beim Brustschwimmen mit dem Kopf nach dem Beinschlag unterzutauchen, können jedoch manche Beschwerden vorgebeugt werden.
Negative Erlebnisse: Ein psychologisches Trauma wirkt sich in den meisten Fällen mehr oder weniger stark und unwillkürlich auf den Bewegungsapparat aus. So zeigen sich häufig, vom Unterbewusstsein gesteuerte Haltungsänderungen in Form einer Vorbeugung durch das Zusammenziehen der ventralen (bauchseitigen) Oberkörpermuskulatur. Durch diese Vorbeugung wird die Nackenmuskulatur stärker beansprucht, das Kinn wird nach vorne gestreckt und der Kopf in den Nacken gelegt.
Physische Traumata: Auch eine Verletzung durch äussere, physische Einwirkung, kann zu ähnlichen Haltungsänderungen und entsprechenden Folgen im Nacken führen, etwa durch Operationen, Schleudertraumata etc.
Durch die Verspannungen in Muskulatur und Bindegewebe wird der Nacken überempfindlich. Oft sind es dann Auslöser wie ein Luftzug, Stress, eine unruhige Nacht mit dem falschen Kissen oder eine kleine ruckartige Bewegung, um den Nackenschmerz auszulösen oder zu verstärken. Diese Nackenverspannungen wiederum treten im Allgemeinen nicht allein auf, sondern beruhen auf Fehlhaltungen, d. h. Verspannungen, die durch den ganzen Körper gehen. Die eigentliche Ursache geht also meist weiter zurück als es der Auslöser vermuten lässt. Allerdings wird die Fehlhaltung, die sich lange vor den Nackenschmerzen zeigt, von den Betroffenen gewöhnlich nicht wahrgenommen.
Behandlung/Therapie
Wenn es zu einer Fehlhaltung gekommen ist, reicht es meist nicht aus, sich im Alltag gerade hinzusetzen und zu versuchen, die Gewohnheiten, welche zur Fehlhaltung beigetragen haben, zu ändern. Die Muskulatur hat sich über lange Zeit der Situation anpassen können. Wird nun eine korrekte Körperhaltung eingenommen, ist dies für die betroffenen Menschen ein anstrengender Akt und kann nicht über lange Zeit aufrechterhalten werden. Macht jemand sich dies zur neuen Angewohnheit, so hat er bald auch an jenen Muskeln, welche die Fehlhaltung überwinden müssen, Dauerverspannungen und nicht selten zusätzliche Schmerzen.
Aus Sicht eines Masseur ist in der Regel eine Myogelosen- oder Triggerpunktbehandlung indiziert. Darunter versteht man die (teils schmerzhafte) manuelle Behandlung von druckempfindlichen, tastbaren Verhärtungen in der Muskulatur, die dadurch aus den Dauerkontraktionen befreit wird. Der Bewegungsradius wird sich dadurch vergrössern, Schmerzen gelindert und der Körper erhält die nötigen Voraussetzungen, die Fehlhaltung selbst zu korrigieren. Zusammen mit der Ermittlung von potentiellen Fehlbelastungen im Alltag des Patienten kann eine dauerhafte Wiedererlangung des vollständigen Bewegungsumfangs und die Befreiung von Schmerzen erreicht werden.